Fließende Landschaften

Fließende Landschaften

Gut 20 Jahre nach dem Verkauf des Hallenbades der Stadt Selm an einen privaten Betreiber, die heutige 4Elements GmbH, hätte der Rückkauf klappen müssen. Den hatte sich die Stadt Selm im damaligen Vertrag vorbehalten – als das damals schon gut über 35 Jahre alte Hallenbad den Besitzer wechselte.

Die Gründung der GmbH ist auf den 25. März 2002 datiert – und stellt sich der Aufgabe:

“Betrieb eines Hallenbades, einer Fitnessanlage, einer Saunaanlage, von Solarien und die Durchführung von Kursen, Dienstleistungen und Schulung jeder Art im Gesundheits- und Fitnessbereich sowie dem Verkauf von Waren und Speisen jeder Art und verwandte Geschäfte.”


Fast zwanzig Jahre später, im März 2021, hatte der Bundestagsabgeordnete Michael Thews dem Bürgermeister der Stadt Selm frohe Kunde überbracht:

 

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Plan A (gescheitert):
Sanierung des Hallenbades an Ort und Stelle

Der konkretisierte Förderantrag aus dem Herbst 2021 lässt die Sanierungsbedarfe gut erkennen:

  • Etwa 1,5 Millionen werden eingeplant für die unmittelbare energetische Sanierung des Hallenbades – von der Wärmeisolierung des Gebäudes bis zum Einbau einer neuen Heizung samt Photovoltaik und Stromspeicherung.
    • Erklärtes Ziel: Senkung der Energiekosten um mindestens 50% des bisherigen Wertes.
  • Weitere 1,1 Millionen werden eingeplant für die Sanierung des Beckens und der Sanitäranlagen, für die technische Steuerung und die Filteranlage für das Wasser
  • Dazu etwa 200.000 Euro für die Digitalisierung von Kasse, Einlass und Gebäudesicherheit und Barrierefreiheit der Zugänge und Innenbereiche
  • Der “Rest” entfällt auf die üblichen Baunebenkosten und auf Kunst am Bau
Auszug aus dem Förderantrag 2021

Gegenüber der Projektskizze aus dem Herbst 2020 waren die Kosten hier bereits um 200.000 Euro nach oben angepasst, sodass eine Gesamtförderung von etwa 85% der Gesamtkosten in Höhe von netto bis zu 3.500.000 Euro aus Bundesmitteln gewährt werden soll – im Effekt dann 2.9700.000 Euro, die von der Stadt selbst dann auszufinanzieren sind.

Als Bruttosumme hat die Stadt 4.500.000 Euro in den Haushalt eingestellt, von denen 1,53 Millionen aus Mitteln der Stadt kommen.

Die gerissene Hürde

Voraussetzung der im Februar 2022 zugesagten Förderung durch den Bund allerdings:

Verlässliche und langfristige Sicherung der angestrebten Ziele: Schwimmunterricht und Schwimmsport über mindestens die nächsten 10 Jahre nach Abschluss der Baumaßnahme  

Da stand dann eine hohe (allerdings durchaus schon vorher bekannte)  Hürde für den Plan A im Weg: Der aktuelle Betreiber hatte sehr deutlich signalisiert, dass er bald mit dem Betrieb aufhören wolle.

Ruhestand stand als nächstes Ziel an, statt bestimmt zwölf weiterer Jahre Betriebsamkeit.

Ein Lösungsversuch: Die Stadt kauft das Hallenbad zurück – und betreibt es wieder selbst, denn ein neuer Betreiber… ist wohl eher nicht in Sicht.

Das scheitert aber – die Vorstellungen über einen angemessenen Preis liegen wohl so weit auseinander, dass die Verkaufsgespräche baden gehen (jepp, das Bild ist sehr, sehr preiswert…).

Damit bleibt dem Rat der Stadt Selm dann wohl ernstlich nichts anderes übrig, als im Spätsommer 2022 die Notbremse zu ziehen.

Lautstarkes Schweigen

Diese Bremsaktion scheint aber mehres zu sein:

  • Zum einen in einer Vorlage vom 09.09.2022 von der Verwaltung für den Rat argumentativ gut aufbereitet, sodass in der Abstimmung des Rates am 15.09.2022 einstimmig die vorgeschlagene Vorgehensweise beschlossen wird (leider kommt die Vorlage natürlich für eine Thematisierung im Haupt- und Finanzausschuss am 08.09.2022 einen Tag zu spät):

  • Zum anderen aber nicht erklärungspflichtig für die Öffentlichkeit, denn jegliche öffentliche Aussage der Politik entfällt – und wurde auch von der Politik nicht gewünscht, so die Information der Stadt auf eine entsprechende Nachfrage dieser Redaktion. Der vorhandene Diskussionsbedarf wurde nichtöffentlich gestillt – mit der Begründung, dass dieses “geschah vor dem Hintergrund, dass vertragliche Informationen erörtert werden mussten. Auch war es der Wunsch der Politik, diese Diskussion vorab nichtöffentlich vorzunehmen.”
    Grundsätzlich sind die Sitzungen des Rates allerdings öffentlich – immerhin dienen sie der Selbstverwaltung auf kommunaler Ebene. Es gibt allerdings eng geregelte Ausnahmen über die Geschäftsordnung des Rates oder durch Einzelbeschlüsse, die in öffentlicher Sitzung zu fassen sind. Von “Wünschen” ist da eher nicht die Rede. Hier die Ausnahmen der GO des Rates:

 

  • Über die mit einem kontrovers diskutierten Ratsbeschluss angestoßene Beauftragung der WFG Unna zur Planentwicklung der Sanierung (siehe Ratssitzung März 2022) breitet sich ebenfalls tiefes Schweigen aus. Auf Nachfrage teilt die Stadt mit: “Die WFG wurde über den entsprechenden Ratsbeschluss informiert. Die Wirtschaftsförderung für den Kreis Unna hatte jedoch anschließend mitgeteilt, dass sie den Auftrag aufgrund mangelnder personeller und zeitlicher Ressourcen nicht umsetzen kann.” Der von CDU und SPD eingebrachte Antrag, den auch die Verwaltung für die Wirtschaftlichkeitsberechnung als “notwendig” einordnete, der nach der Vorstellung der Antragsteller Synergien nutzen und die Planungskapazitäten und den Haushalt der Stadt entlasten sollten – läuft damit ins Leere. Immerhin scheint nach Presseberichten in den RN dennoch umfassen (inklusive Neubauvariante) am Thema gearbeitet zu werden, wenn auch bisher ergebnislos.
  • Ebenfalls offen sind die Konsequenzen:
    • Geklärt werden muss, ob die Mittel umgewidmet werden können – und wer dazu der Besitzer des Freibades sein muss, um die langfristige Sicherung des Förderzweckes zu erfüllen. Die Existenz des Bürgerfreibades in seiner jetzigen Form ist durch entsprechende Vereinbarungen für die kommenden 10 Jahre abgesichert. Stadt und Träger-Gesellschaft sind einander aber vermutlich nahe genug, um eine gute Lösung zu finden. Prüfungen hierzu laufen nach Auskunft der Stadt.  
    • Geklärt werden muss, was nach dem Auslaufen der einjährigen Verlängerung des Vertrages zur Nutzung des Hallenbades zwischen Stadt und Betreiber geschieht – also ab dem 15.04.2023. Macht der Betreiber weiter, der eigentlich aufhören will? Was bedeutet das für die nächsten Jahre? Eine entsprechende Anfrage beantwortet die Stadt ausweichend: “Mit dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten wird zurzeit darüber diskutiert, wie dort weitere Zeiten für Vereine zur Verfügung gestellt werden können. Ergebnisse der Gespräche liegen noch nicht vor. GGf. ist es auch möglich, in den Sommermonaten Schulschwimmen im Freibad anzubieten.”

Und nun? "Plan B" und "Plan C" und ...

Den weiteren denkbaren Varianten widmen wir uns in den kommenden Tagen.

Wenn Fragen aufkommen –> gerne in die Kommentare.

Geborener Sauerländer, kerngebildet als Theologe, beruflich nun medienarbeitend, erfahren als Bildungswerker und Ressourcenbeschaffer, suchend und fragend, unterwegs seit 1967, zwischen Christentum und Sozialismus nach Gerechtigkeit suchend

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