
Selmer Alltagsspuren: Osterunruhe
Osterruhe, ich wäre dafür (gewesen)
Fünf Tage Osterruhe, das wäre es doch gewesen!. Von mir aus auch mit abendlicher Ausgangssperre. Mal wirklich zur Ruhe kommen. Fünf Tage daheim verkrümeln, Aufbackbrötchen, Tiefkühlpizza, Schokoeier, Sofa*. Mehr braucht das Herz nicht. Nachmittags ein Stündchen raus, in den Park oder durch die Felder. Und ansonsten Serienmarathon, das dicke Rätselbuch von Eckstein birgt noch unausgefüllte Seiten, ausgedehnte Mittagsschlafeinheiten, Blogartikel schreiben und in trauter Zweisamkeit von Mahlzeit zu Mahlzeit hangeln.
Angesichts der steigenden Infektionszahlen werden wir früher oder später nicht um weitere Einschränkungen herumkommen, also wären die Ostertage die perfekte Gelegenheit gewesen, das Infektionsgeschehen etwas zu bremsen.
★ … da kommt mir ein Gedicht in den Sinn, dem erste Teil-Lockdown 2020 gewidmet:
“Lob des Sofas”, Grafik und Animation: Gerald Hross (Illustrator, Artist & Designer, Schwerin),
Text und Stimme: Oliver Hübner
Shoppen oder pendeln? Nein, ich schimpfe nicht …
Ach doch, ich habe auch großes Verständnis für den Handel, die Gastronomie und Kultureinrichtungen, die in diesem Hin und Her endlich wieder öffnen möchten. Die Hygienekonzepte erarbeitet, Luftfilter angeschafft haben und sagen, bei uns ist alles sicher. Sicherer, als im NRW-Express und im Großraumbüro. Aber offenbar geht nur eins von beidem, Großraumbüro oder Kino und Shoppen.
Auf keinen Fall möchte ich auf “die Politik” schimpfen. Nein, immer noch nicht. Die sind, genau wie ich, seit einem Jahr im Krisenmodus. Und ich bemerke, wie fehleranfällig, unkonzentriert und inkonsequent ich derzeit oft bin. Weshalb sollte ich unseren Volksvertreterinnen und Volksvertretern also diese menschlichen Eigenschaften absprechen und von ihnen mehr verlangen als von mir?
Teste Deine Konsequenz: zwei Beispiele
Beispiel: Die Katze und ich
Wenn die Katze (ich habe keine Katze, aber mal hypothetisch) mich beim Käsewürfelschneiden (ich schneide selten Käsewürfel, aber mal hypothetisch), mich mit ihren großen Augen ansieht, dann sage ich ihr:
“Nein, das darfst Du nicht! Da, Futternapf, das ist für dich.”
Und wenn sie immer noch schaut, dann sage ich es ein zweites Mal. Beim dritten Mal, vermute ich, würde ich ihr ein Stück geben und es mir schönreden, indem ich sage, ach die Katze, soll doch auch mal was Gutes bekommen, nicht dauernd das olle Schiebah!”
Noch ein Beispiel: Ich, der politisch Verantwortliche
Wenn nun die Handelsvereinigung, ein wichtiger Küchenhersteller, die Spargel-Lobby oder mein Kumpel aus dem Wirtschaftsbeirat mir, als politisch Verantwortlichem, sagt:
“Ach, Achim (Name geändert, echter Name der Redaktion bekannt), wir dürfen doch nicht alles schließen, weil die nebenan ja auch nicht schließen und unsere fahren dann nach da und das wäre doch nicht gut. Weder für die, noch für uns, noch für die Gesamtlage!”, dann würde ich zwei Mal sagen:
“Aber die Infektionszahlen!”
Wenn ich dann immer noch mit großen Rehaugen angeschaut werden würde, knickte ich schließlich ein. Das wäre nur allzu menschlich! Zumal ich morgens noch die Zeitung mit den großen Schlagzeilen beim Bäcker gesehen habe. Die schimpfen immer so laut, wenn mal wieder Gesundheit vor Freiheitsrechte geht. Sogar, wenn es um die Freiheit geht, sich unvernünftig verhalten zu dürfen.
Die Zeitung mit den großen Überschriften auf der Titelseite schimpft sowieso schon immer. Sie sagt “die Politik” ist schuld, wenn beim Impfhersteller AlphaOmega mal wieder ein Karton Impfstoff im Keller vergessen wird. Und alle, die das Bäcker lesen, glauben das! Das nagt schon lange an mir, als politisch Verantwortlichem. Ich möchte doch nur mal dafür gelobt werden, dass ich mich täglich 14 Stunden um alles kümmere!
Fehler machen wir doch alle
Nein, alles gut, wir alle machen Fehler. Und doch wünsche ich mir, dass dieses Virus endlich (wieder) ernsthaft angegangen wird. Und dass nicht 500 Menschen eng an eng im Park feiern. Dass ich aus der Nachbarwohnung nicht ein zwölfstimmiges “Happy Birthday to you” höre. Und dass nicht 40.000 Menschen aus unserem Land über Ostern nach Malle fliegen und von dort die katalanische Mutante mitbringen. Vor allem, dass unser Pflege- und Klinikpersonal mal wieder normale Zeiten erlebt.
Und doch würde ich als Katze mit großen Augen schauen und sagen:
“Achim, ich darf doch den Käse, weil ich bin besonders lieb!”
Und wenn Achim ihn mir gibt, dann esse ich ihn, weil Achim hat es erlaubt, selbst wenn ich weiß, dass der Käse absolut schädlich wäre für meine Verdauung. Denn ich Katze und auch ich Achim, wir sind halt inkonsequent und unvernünftig, auch wenn wir eigentlich in bester Absicht handeln. Tun wir doch, oder?
Natürlich passieren so Fehler, doch wer ohne Fehl und Tadel ist, der werfe die erste Spritze.
… und wenn die Unruhe kommt
Oliver Hübner - Autor, Blogger und Webgestalter aus Selm und Schwerin, geb. 1968 in Unna
Schreibe einen Kommentar