Kolumne: Lob der Biotonne, aber plastikfrei!

Ich liebe meine Biotonne. Wirklich. Das Prinzip ist einfach genial: Alles, was mal lecker war – vom Apfelbutzen bis zur Brotrinde – darf noch einmal aufleben, verwandelt sich im Dunkel der Kompostierung in feinste Erde und düngt künftig Radieschen, Rosen und Rittersporn. Aus Matsch wird Materie, aus Matsch wird Magie. Großartig.
Apfelkitsche und Brotknust?
Apropos Apfelbutzen und Brotrinde: Wie nennst Du eigentlich das, was vom Apfel übrig bleibt und wie nennst Du das letzte Stück vom Brot?
Apfelkitsche und Knäppchen? Griebsch, Schnirps, Knost, Knabbel, Batz und Sterzl, Knärzel, Knust, Kanten, Knüpken und Rungsen? Bitte schreibe es hier in einen Kommentar und auch auf unseren Sozialen Medien und markiere dort alle Deine Freunde, die andere Begriffe verwenden!
Aber zurück zur Biotonne. Im Sommer, da steigt einem diese wundervolle Magie direkt in die Nase.
Ananas-Party und Fliegenhochzeit
Kaum übersteigen die Temperaturen 25 Grad, beginnt in der Biotonne der Hausgemeinschaft das große Krabbeln. Fliegen tanzen Hochzeit, Maden feiern Ananas-Party, und es duftet nach einer Mischung aus Gärkeller, nassem Hund und verwesendem Fruchtcocktail. Es ist, als würde die Biotonne sagen: Willkommen in der Natur, du Mensch aus der Wegwerfgesellschaft!
Und ich so: „Na gut, gehört halt dazu.“ Ich bin schließlich gewissenhaft. Ich trenne Müll mit beinahe religiösem Eifer. Ich friemele winzige Plastiketiketten von Kiwis, starre minutenlang auf den Aufkleber an der Banane und frage mich: Papier oder Plastik? Oder ein perfides Mischprodukt aus beiden Welten? Ich will keinen Fehler machen. Ich will, dass meine Biotonne ein Ort der Reinheit ist. Ein Modellprojekt. Eine Auszeichnung verdient. Bio auf höchstem Niveau. Die Stadtwerke haben es schließlich verdient, 1a-Material für ihre Parkpflege zu bekommen.
Was macht denn der Becher da?
Umso härter traf es mich, als ich kürzlich – ganz arglos beim Rausbringen des Biomülls – einen Blick in die Tonne warf. Und da lag sie. Die Plastiktüte. Mit Inhalt. Kaffeesatz, okay. Eierschalen, meinetwegen. Aber auch: ein Joghurtbecher. Mit Aludeckel. In der Plastiktüte! Ich war fassungslos. Ich wollte schon eine Warnbarke aufstellen, ein Team von Forensiker*innen rufen und mit Handschuhen die Quelle allen Übels zurückverfolgen.
Aber ich blieb still. Und dachte nach. Vielleicht war’s ja nur ein Missverständnis? Unkenntnis der Regeln und Vorschriften bezüglich des Biomülls. Vielleicht wusste die Person es nicht besser? Vielleicht dachte sie, es sei eine von diesen angeblich „kompostierbaren“ Tüten – die man ja eigentlich auch nicht in die Biotonne werfen soll? Und der Becher, nun ja, der war halt verdeckt unter den Filtertüten. Ich denke im Zweifelsfall eher, dass Menschen aus Unkenntnis Fehler begehen als aus böser Absicht. Also bräuchte es vielleicht nur einen kleinen Hinweis, der erklärt, was in die grüne Tonne gehört und was nicht.
Liebe Nachbar*innen
Ich überlegte, einen Zettel aufzuhängen. Aber wie? Belehrend soll er nicht wirken. Passiv-aggressiv daherkommen erst recht nicht! Und wenn ich Nachbar*innen schreibe, vergrätze ich bestimmt schon damit einige aus der Hausgemeinschaft, vermutlicvh genau die, die ich ja erreichen möchte. Hm?! Ich entwickelte folgende Ideen:
Variante 1: Der Pädagogisch-Freundliche
Liebe Nachbarinnen und Nachbarn,
unsere Biotonne lebt – und das ist gut so! Damit aus unseren Essensresten wertvolle Erde wird, bitten ich Sie: keine Plastiktüten (auch keine „kompostierbaren“), keine Joghurtbecher, keine Aludeckel. Kaffeesatz, Eierschalen, Gemüsereste & Co – ja bitte, aber lose oder in Papier. Danke fürs Mithelfen – für sauberen Kompost! Ein besorgter Nachbar
Variante 2: Der Humorvolle mit Augenzwinkern
Die Biotonne ist kein Überraschungsei.
Bitte keine Plastiktüten, Becher, Alufolien oder sonstigen Restmüll in unsere fleißige Biotonne werfen. Sie mag es nur natürlich. Nur Essbares, Kaffeesatz, Gemüse- und Obstabfälle – ohne Plastikverpackung. Danke, eure regenwurmfreundlicher Nachbar
Variante 3: Der Schlicht-Pragmatische
Bio ja – aber bitte ohne Plastik.
Keine Plastiktüten, keine Becher, keine Folien. Auch nicht die Kompostierbaren. Danke!
Multilinguale Nachbarschaft
Und dann kam mir der nächste Gedanke: Muss ich das eigentlich auch auf in einer fremdländischen Sprache schreiben? In unserer Hausgemeinschaft wohnen schließlich einige Familien, deren erste Sprache nicht Deutsch ist. Was sprechen die eigentlich? Ist es Russisch oder Ukrainisch? Aserbaidjanisch gar? Ich will ja niemanden ausschließen – das wäre ja irgendwie auch Müll. Also vielleicht doch ein mehrsprachiger Aushang? Aber wie wirkt das? Zu korrekt? Zu viel? Oder ist es genau das, was Nachbarschaft heute ausmacht – dass man sich Mühe gibt, auch international?
Allerdings möchte ich auch nicht den Anschein erwecken, ich würde sie gerade wegen dieser Sprachhürde der Unkenntnis der deutschen Biomüllgepflogenheiten verdächtigen!
Ich weiß es nicht. Vielleicht schreibe ich einfach eine Kolumne für das SELMagazin.
Vielleicht lesen es dann genau die Richtigen und denken ganz leise „ups!“ oder das gleichem, aber mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Für die größere Reichweite bräuchte ich dann aber einen kleinen Trick, dass der Artikel auch so richtig viral geht!
Und vielleicht danken es mir irgendwann die Regenwürmer und die städtischen Parkanlagen.
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