Kolumne, Aufruf: Für ein vielfältiges, tolerantes Selm ohne Fremdenfeindlichkeit

Kolumne, Aufruf: Für ein vielfältiges, tolerantes Selm ohne Fremdenfeindlichkeit

Ich wollte immer schon mal eine Art Aufruf schreiben. Et Voila! Hier ist er.

Selm ist eine kleine Stadt, eine Kleinstadt mit etwa 25.000 Einwohnern. Diese Stadt ist nicht besonders hübsch, gebürtige Selmer mögen mir verzeihen, aber für mich ist Selm irgendwie eine Mischung aus Bergarbeitersiedlung und altem münsterländischen Bauerndorf. Also nichts Halbes und nichts Ganzes. Während der dreißig Jahre, in denen ich nun hier lebe und arbeite hat sich Selm aber sehr vorteilhaft entwickelt.

Viele Projekte der letzten Jahre haben dazu beigetragen, den Ort schöner zu machen. Der Auenpark zum Beispiel ist jetzt im Frühling wieder ein Ort, an den es viele Menschen zieht. Ältere Menschen schlendern vergnügt durch den Park und erfreuen sich am ersten zarten Grün von Bäumen und Sträuchern. Familien mit Kindern kommen, um die ersten Sonnenstrahlen zu genießen, Blässhühner und Enten zu beobachten, den Abenteuerspielplatz zu besuchen oder sich auf einer der vielen Sitz- und Liegemöglichkeiten auszuruhen.

Die ersten Falken schweben bereits suchend über den weiten Flächen der großzügig angelegten Parkanlage, durch die sich der Selmer Bach schlängelt. Das Flussbett ist nun ausladend und nicht mehr beengt, der einstmals begrenzte kleine Bach kann sich ausdehnen und in Totholz und Schilf allerlei Getier ein Zuhause bieten.

Die Burg Botzlar kommt jetzt, in neuem Outfit, ausgesprochen schick daher. Aber schick ist das falsche Wort und ich möchte es anders formulieren. Das ehemals etwas heruntergekommen Gebäude erstrahlt jetzt in rustikal eleganter Anmutung. Auch die unmittelbare Umgebung wurde mit Teich, großer Wiese – die allerdings noch wachsen muss – den bereits vorhandenen Skulpturen und der kleinen Mauer um die Burg herum, passend gestaltet.

Ich will auch nicht vergessen den Campus zu erwähnen, der mit seinen hellen Gebäuden fast südländische Freundlichkeit ausstrahlt und ich genieße die vielen Veränderungen der letzten Jahre, die dieses Städtchen aufwerten und lebenswerter machen. Den meisten Menschen die hier leben, da ich bin mir sicher, geht es genauso.

Es gibt auch Graffiti in Selm, die ich mag, die triste Stromkästen aufwertet oder alten Mauern ein paar Farbtupfer verleiht. Das ist farbenfroh und fröhlich! Wie die meisten Menschen liebe ich Schönheit, Lebendigkeit und Vielfalt. Und bunt sollte meiner Meinung nach eine Stadt sein, bunt und lebenswert. Und freundlich. Eine bereichernde Mischung aus Menschen verschiedener Nationalitäten, verschiedenen Alters. Menschen mit vielfältigen Interessen, unterschiedlichen Geschlechts und ja, auch queere Menschen gehören dazu. All das und die unterschiedlichsten Kulturen, Sprachen und Religionen verleihen einer Stadt Lebendigkeit und Lebensfreude und machen sie fortschrittlich!

Leider gibt es auch in Selm Menschen, die das nicht so sehen und anstatt die langweiligen Schilder und Laternenmasten zu umhäkeln, wie es in manchen Großstädten von Handarbeitsfreaks praktiziert wird, kleben sie Aufkleber auf selbige. Wie simpel. Wie langweilig. Man könnte auch Guerilla Gardening betreiben, um die Stadt ein bisschen bunter zu machen. Wie wäre es damit? Wer mehr darüber wissen will kann sich auf Wikipedia informieren.

Aber ich habe diese Stickerkleber im Verdacht, sie möchten Selm gar nicht schöner gestalten, sondern sie wollen Stunk, sie wollen hetzen! Sie möchten eine Atmosphäre der Angst verbreiten.

Sie verunstalten mit rechtsradikalen Aufklebern Laternen und Schilder in Selm.
Mit Stickern, die vor Fremdenfeindlichkeit nur so strotzen, die von „Remigration jetzt“ sprechen, möchten sie eine Botschaft senden. Eine widerliche Botschaft an Menschen, die in unser Land gekommen sind, weil ihr eigenes Land zerbombt wird. Weil ihnen Gefahr für Leib und Leben, Folter und Tod droht. Vielleicht sollte man diesen Aufklebern mal mitteilen, dass ihr Tun eine Ordnungswidrigkeit ist, erwischt zu werden kann ordentlich was kosten!

Ganz abgesehen davon, dass wir ohne die zugezogenen Menschen, die nun vielen Bereichen, zum Teil in anspruchsvollen Berufen wie Medizin und Pflege, Wissenschaft und Forschung arbeiten und hier ihre Steuern zahlen, um einiges ärmer wären. Stichwort Fachkräftemangel?!

Die Gastronomie bestünde nur noch aus Pommes frites (kommen übrigens aus Frankreich) und Burgern (wurden in den USA erfunden). Na ja, vielleicht noch Schnitzel, Kartoffeln und Spargel. So stelle ich mir die Hölle vor.

Wie schön wäre es, wenn man auch in Selm beispielsweise ein vietnamesisches, syrisches oder ukrainisches Restaurant besuchen und sich an der Vielfalt erfreuen könnte. Und natürlich gibt es Menschen, denen es nicht leicht fällt sich zu integrieren, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache habe, die schwer traumatisiert sind und zu zuallererst unsere Hilfe brauche. Und natürlich ist für diese Menschen hier Platz!

Ich bin sicher, dass ich das nicht alleine so sehe und bin froh, dass diese scheußlichen Aufkleber immer wieder von verantwortungsbewussten Bürgern entfernt werden. Diese kleine Stadt ist auf dem Weg zu einer bunten, facettenreichen und wirklich lebenswerten Stadt, in der so schöne Dinge wie Vielfalt, Toleranz und Gemeinschaft gelebt werden können. Lassen wir uns das nicht von ein paar wenigen Menschen kaputt machen, die vermutlich das Wort Toleranz nicht einmal buchstabieren können!

Ich würde mir für Selm wünschen, dass gegen diese Leute vorgegangen wird. Dass die Stadt, der Bürgermeister, die Politik, sich verantwortlich fühlen und vielleicht direkt an den Ortseingängen Schilder aufstellen, die das Anbringen von fremdenfeindlichen Aufklebern und Plakaten direkt verbieten und zu Vielfalt und Toleranz aufrufen!

Bis dahin …
Leben, lieben, lachen. Und das Atmen nicht vergessen!

Anna

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