Interview – Lena Benke, was ist Permakultur?

Man sagt, in Selm engagieren sich nicht zu viele Menschen, aber die, die sich engagieren, machen viel. Manchmal erfahren wir von diesen Menschen nichts, weil sie in Bereichen aktiv sind, in denen man selbst nicht unterwegs ist. Manchmal ergeben sich viele Treffpunkte.
Bei Lena Benke ergaben sich viele Treffpunkte. Sie war im Klimafit-Kurs der VHS, bei der Vorstellung der Saatgutbibliothek der BIB, sie veranstaltete einen Tag der offenen Tür und lud die Nachbarschaft in ihren Garten ein, manchmal trifft man sie mit einigen Kindern, manchmal mit zwei Schafen, die am Halfter geführt werden.
Sie ist eine Selmerin, die viele Geschichten zu erzählen hat und bereits viele Spuren in Selm hinterlassen hat. Das hat uns neugierig gemacht, mehr von ihr zu hören und kennenzulernen.
Und so haben wir uns mit ihr in ihrem Garten verabredet. Wir begannen mit einem Rundgang durch den Garten, dessen verschiedene Bereiche sehr durchdacht angelegt und ausgestaltet sind. Spürbar ein Zusammenleben mit der Natur, nicht gegen sie. Es atmet Vielfalt und Ruhe. Nach dem Rundgang, bei dem es viel zu entdecken gab, setzten wir uns zu einem Tee, um das Gehörte zu vertiefen.
Der folgende Text ist die Verschriftlichung des Gespräches, im Podcast sind auch Teile unseres Rundgangs zu finden.
Intro: Music by Alexander Nakarada / https://www.creatorchords.com
Interview mit Lena Benke
aufgenommen in Selm am 06. März 2025 von Petra Burkhart und Oliver Hübner
SELMagazin: Jetzt gibt es den Tee …
Lena Behnke: Genau, ich merke es zumindest im Moment noch im Hals, deswegen habe ich etwas Salbei zugetan. Minze war noch nicht so viel, die erste kommt aber. Wir können das ganze mit dem Honig ein bisschen bereichern. Also, wir dürfen die Tassen ein bisschen klimpern lassen, ja?
(…)
LB: Und sonst sitze ich auch nicht so oft hier, sonst muss ich immer mehr arbeiten. Ich danke euch für die Chance der Pause. (Lachen)
SM: Wir sind in einem wunderschönen Garten, mitten in der Altstadt von Selm, zu Gast bei Lena Behnke. Du hast dir hier ein kleines Paradies geschaffen, wie kam es dazu? Kannst du uns deinen Werdegang vorstellen, deine Person, wie du nach Selm gekommen bist und diesen schönen Garten hier geschaffen hast?
LB: Es ist ja mein Elternhaus, also erst einmal bin ich hier weggegangen. Wir sind dann von Münster aus in die Welt gestartet.
SM: Das heißt, du bist hier aufgewachsen.
LB: Ja, ich bin hier aufgewachsen, zumindest ab dem vierten Lebensjahr. Den Garten hat meine Mutter zum Teil genutzt, sie ist relativ früh gestorben. Aber die Apfelbäume waren da, das haben wir aber eher als eine Last gesehen, die Äpfel musste man wegräumen, weil die sonst auf dem Boden matschig werden. Also, da war noch nicht der Bezug da, dass alles, was hier wächst, einen Ertrag gibt. Das kam erst viel später.
Ich bin weggegangen nach Hamburg, dann nach Münster zum Studieren. Irgendwann haben wir gesagt, so jetzt müssen wir noch mal ein bisschen um die Welt kommen, das war mit meinem Freund damals. Wir sind dann mit unserer Tochter nach Indonesien gegangen. Da haben wir schon gemerkt, dass man manches neu hinterfragen muss. Was ist essbar und was muss man dafür tun?
An der deutschen Schule habe ich viel für den Bereich Ernährung getan, das habe ich mitunterrichtet. Da bin ich aus pädagogischer Sicht ein bisschen darauf gestoßen worden …
SM: Welche Ausbildung hast Du gemacht?
LB: Ich bin Sozialpädagogin, habe da aber mehr als Lehrkraft gearbeitet und Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Aber ich hatte da auch viele andere Möglichkeiten. Ich konnte mich zum Beispiel mit den indonesisch-stämmigen Kollegen auszutauschen, darüber, was dort wächst und wieso es dort wächst. Da hatte ich das erste mal Interesse für andere Kulturen und andere Anbaumöglichkeiten. Da war ich natürlich begeistert. Und das, was da so toll wächst, das will man hier dann auch haben, diese tollen Früchte und alles, an was wir uns gewöhnt hatten.
Dann sind wir aber zurück nach Deutschland gekommen, ins Rheinland bei Königswinter. Da waren wir auch sehr gut gestellt, weil da der beste Pfirsich direkt an unserem Haus wuchs, darüber waren wir sehr glücklich.
Und dann kam der nächste Schritt, die Überlegung, übernehme ich das Elternhaus? Als unsere Tochter in die Schule kam, war klar, dass wir diesen Schritt gehen.
SM: Hattest du da genug von der Welt gesehen?
LB: Nein, es ist nie genug! Also, es zieht uns immer noch weg, aber es wird halt schwieriger, umso mehr man sich etwas Eigenes aufbaut und den Schritt sind wir hierher gegangen. Bei mir kam dann eine Krankheit, die einen Entwicklungsschub brachte. Eine starke Krankheit mit hohem Fieber. In der Zeit habe ich im Radio einen Bericht über Permakultur gehört. Mein jüngerer Bruder hatte sich damit schon mal befasst. Mir war schnell klar, das war es, Permakultur. Das ist es, was uns hier uns weiterbringt. Mit meinem Mann zusammen habe ich mich dann für den ersten Kurs zum Thema Permakultur angemeldet. Das war im Ökodorf Sieben Linden, das war sehr zu empfehlen.
SM: Wo ist das?
LB: In der Nähe von Wolfsburg, da ist viel Land und sonst nichts drumherum. Die haben dort ein autarkes Dorf geschaffen, das Ökodorf Siebenlinden. Es ist eine Bewegung der 72er, Zeit der Ölkrise, die ersten Gebäude wurden nach der Lehmbauweise gebaut. Solche Sachen kann man da auch lernen. Das funktioniert autark nach den Permakulturprinzipien mit Gemüseanbau, keine Tierhaltung, zumindest bis zuletzt. Sie stimmen als soziale Gemeinschaft über alles ab, was sie tun und wer aufgenommen wird und was diejenigen einbringen müssen.
SM: Habt ihr dort auch gewohnt?
LB: Das war ein Einführungskurs von ein paar Tagen, also eine kurze Sache. Aber wir durften in einem der Lehmhäuser wohnen. Wenn ich neu bauen würde oder irgendwas machen könnte, das würde ich sofort so machen. Diese gute Luft, dieses schöne Raumklima, was man schafft, obwohl da ein Kachelofen steht. Das ist toll! Es war gerade Februar, man wird einfach dazu geholt, Taglilien vereinzeln war unser erster Job. Sie machen das, um etwas beizubringen aber auch als Nutznießer. Das mache ich ja auch ähnlich.
Für uns war wichtig, dass wir sagen: ja, die Permakulturprinzipien sind für uns im Sozialen gut, also für das Miteinander von den Menschen. Und dass wir das anderen näherbringen, weil dieser große Garten für uns alleine gar nicht sinnvoll ist. Also wollte ich es auch pädagogisch nutzen. Das muss man ja auch als Familie entscheiden. Für mich war neu, dass ich gärtnerisch noch nicht mit dem Prinzip gearbeitet habe. Ich habe also gesagt, ich nehme das jetzt als Selbstversorger in die Hand.
SM: Und Ideen mit Pflanzen und der Naturverbundenheit, war die schon immer da? Du sagtest, dass du vieles in Indonesien entdeckt hast …
LB: Das wurde da geweckt, zumindest wurde es bewusster. Vorher war es irgendwie so da, man kannte das nicht anders und wenn man dann einmal weg ist oder sich wieder neu damit auseinandersetzen muss, dann glaube ich, wird einem vieles bewusster. Genauso, wie nach dem Fieber, dass man denkt, okay jetzt noch mal neu! Das ist das Permakulturprinzip, was ich für mich gefunden habe, im sozialen Miteinander aber auch hier im Garten.
Ich frage mich regelmäßig wieso, weshalb, warum, wenn ich genug Zeit habe im Jahresverlauf, bevor ich sage, da kommt der Baum hin.
SM: Was genau ist es dann, das Prinzip Permakultur?
LB: Permakultur wird gerne als die Anbaumethode gesehen, aber das trifft es nicht allein, es ist eigentlich auch eine soziale Komponente, Earth Care, also ich kümmere mich um die Erde, und People Care, ich kümmere mich um die Menschen. Dazu kommt Fair Share, das heißt, dass was ich habe, ist nicht nur für mich da. Ich achte auch darauf, dass Güter fair verteilt werden, also das Prinzip des gerechten Handels und des Miteinanders. Das sind drei Prinzipien, die wir gerne anwenden.
Diese Prinzipien kann man erlernen oder sich auch mithilfe von Büchern anlesen und so die Permakultur für sich entdecken. Es ist keine politische Richtung. Ich berate da gerne jeden, der Interesse hat.
Ich finde, dass es schon für die meisten Bereiche sehr weiterbringend ist. Dieses Prinzip ist von Bill Mollison und David Holmgren entwickelt, das gibt es schon seit fast 50 Jahren. Sepp Holzer hat es aufgegriffen und gesagt, ich mache es auch zusammen mit Tierhaltung, was für mich auch mit dazu gehört. Ich schaffe so Kreisläufe, die sich selber weiterbringen. Und hier im Kleinen bei uns ist es auch im Garten so, dass wir gerne einen Kreislauf geschlossen haben möchten. Alles muss einen Ertrag haben, aber nicht ausschließlich für mich. Das heißt also nicht, ich möchte unbedingt einen Apfel ernten, es kann auch sein, dass ich für die Insekten etwas getan habe. Oder ich habe ein Biotop mit Wasser geschaffen, sodass ich auch die Tiere bediene.
SM: Also ist es das Kreislaufprinzip, das so zentral steht? Im naiven Verständnis würde ich sagen, eine permanente Kultur ist, dass dauerhaft etwas wächst …
LB: Dauerhaft ist der Punkt, genau. Natürlich darf ich auch die Landwirtschaft so betreiben, dass ich zwischendurch einen Wechsel habe, aber freiliegende, braune Erde sollte ich nicht haben. Brauner Boden ist allgemein nicht angesagt, auch nicht im Gärtnerischen. Da ist eigentlich schon klar, dass man immer Mulch drauf hat. Ich habe jetzt zum Beispiel immer Bodendecker, die ich pflanze. Die Erdbeere, die hilft meinem Apfelbaum und dazwischen pflanze ich den Lauch, der hilft den Erdbeeren und dann guckt man immer wieder, wer ist wie füreinander da und wer hilft wem. Das sind die Kreisläufe, die man erlernt.
In der Permakultur kann ich nach dem Einführungskurs entscheiden, in welche Richtung ich gehe. Das habe ich im Designkurs gemacht. Das heißt, ich habe dann auch gedacht, okay, jetzt habe ich diese 2000 Quadratmeter und jetzt muss ich irgendwie gucken, was plane ich damit. Was haben wir? Also die Betonplatte war da, der Teich war da und was wollen wir erhalten, was verändern wir und wie will ich es nutzen? Und das hinterfragt man dann immer mal wieder und plant das gerne neu.
SM: Und der Startschuss für euch war dann, dass ihr diesen Garten bekommen und hier mit der Permakultur starten konnten?
LB: Genau, diese große Fläche Land! Ja, irgendwie muss ich damit etwas machen und irgendwie kann ich es so ja nicht lassen und muss ich mich zunächst firm machen, um das zu bewirtschaften. Und nicht nur für mich, das war schnell ein klarer Punkt. Ich bin Sozialpädagogin und das lebe ich auch. Dann hat es eigentlich damit angefangen, dass die Schulklassen meiner Kinder kamen. Dann habe ich immer wieder mit meinem Mann überlegt, wie läuft es und wie kann es sich entwickeln. Das Ehrenamt war so gesehen ein ganz guter Versuch, um es zu testen.
Dann kam leider Corona und hat das alles ausgebremst beziehungsweise zurückworfen. Wir haben mit Maske auch im Garten gearbeitet, aber es war nicht so einfach, um das Ganze aus der Wiege zu heben und ins Professionelle reinzubringen und einen Ertrag zu erwirtschaften.
SM: Ihr habt das dann 2019 übernommen, also kurz vor Corona?
LB: Ja, genau. Kurz davor. Meine Tochter kam in die Schule, dann haben wir angefangen. Erst mal kam natürlich das Haus, dann kam der Rest. Zu der Zeit fing es an, und dann ging es relativ flott. Also da war dann schon die Schulklasse meiner großen Tochter hier und dann haben wir saisonale Sachen gemacht, zu Ostern Ostereier gefärbt. Und dann habe ich schon an Projekten der Grundschule mitgeholfen, weil die sich den kahlen Schulhof begrünen wollten. Es war schnell ein Miteinander und Gegenseitig, wir haben hier etwas angepflanzt und es wieder mit rübergenommen. Das hat sich dadurch entwickelt.
SM: Wenn so eine Schulklasse hier ist, wie läuft das ab, was machen die?
LB: Also ganze Klassen habe ich nicht so gerne hier, sondern eher kleine Gruppen. Dafür ist die Fläche irgendwann zu klein, wenn 30 Kinder hier durchgehen. Aber 15 Kinder sind auch gut. Das ist eigentlich eine gute Gruppengröße. Wir hatten da zum Beispiel Vorbereitung für den Herbstmarkt und da haben wir natürlich saisonal die Äpfel geerntet, Apfelmus gemacht, Apfelringe und Apfelsaft und haben aber auch einen Apfelbaum gepflanzt. Also diesen Kreislauf immer im Blick zu haben, das ist für mich ganz wichtig. Das ist eigentlich das, was wir tun, was im Mittelpunkt steht. Und als rituelle Geschichte gibt es den Tee, der dazugehört …
SM: Es wird ein bisschen windig. (…) Es ist nämlich wunderschön hier im Garten, bei sonnigem Wetter und es ist bestimmt schon 15 Grad warm, Anfang März.
LB: Man zieht sich schon die Jacke aus, genau, und denkt auch, jetzt könnte man pflanzen!
Ja, und wenn Gruppen dauerhaft hier hinkommen, dann haben wir eigentlich mehr Zeit und ein bisschen mehr Ruhe, um sich die Veränderung auch anzugucken, wie jetzt, dass man einfach sieht, jetzt kommt schon der Krokus raus und die Biene findet schon ihr erstes Essen. Und ach, guck mal, die Tulpen, die wir letztes Jahr gesetzt haben, die kommen jetzt schon wieder raus. Das ist eigentlich ein ruhigeres Miteinander. Genauso bietet natürlich hier die Fläche im Garten auch Freiraum, um in Ruhe zu spielen oder sich zu verstecken.
SM: Also schon eine kontinuierliche Arbeit mit den Kindern, die dann immer wieder kommen und so ein bisschen den Prozess über eine längere Zeit begleiten können?
LB: Den ganzen Jahresverlauf, genau. Die Tiere begleiten können und einfach schon wissen, wie ich die versorgen muss und was die brauchen, genauso aber auch dem Jahresverlauf im Garten. Wenn die erste Klasse im Endeffekt als AG hier hinkommt, dann haben die zumindest einmal so einen Zyklus erlebt, sodass man sagen kann, die haben alles einmal gelernt. Wir fangen dann ein bisschen andersrum an, im Herbst mit der Ernte. Auch über den Winter ist es eigentlich nie so, dass wir pausieren müssen. Wir haben immer etwas gefunden. Wir machen uns dann den eigenen Weihnachtsbaum.
SM: Du sagtest, Du hast es als Ehrenamt angefangen. Ist das für dich auch eine Perspektive, das noch weiter beruflich zu machen?
LB: Jetzt mache ich das beruflich, ich bin offiziell selbstständig gemeldet.
SM: Also mit dem pädagogischen Anteil?
LB: Das Pädagogische, genau. Ich mache Angebote an die Schulen oder auch an die Familienbildungsstätte. Dort habe ich einen Kochkurs angeboten, nach dem Kreislauf-Prinzip. Also, wer essen will, der muss auch ernten. Der ist dieses Jahr nicht wieder gestartet, da muss man immer genau die Anmeldezahlen haben.
Die pädagogische Arbeit mit Kindern ist aber das, was sich besser trägt. Ich habe jetzt auch aus Kindergruppen vom Sunshine, die ich in den Sommerferien hier hatte, ganz interessierte Eltern, die gucken kommen. Da tragen die Kinder weiter, wie funktioniert ein Kompost und wir wollen das doch auch haben oder können wir nicht auch das anpflanzen, was ich so lecker fand? Das ist schon interessant!
SM: Gibt es Möglichkeiten für eine Schule, die das machen will, Fördergelder zu bekommen, über Umweltbildung?
LB: Immer wieder. Aber manchmal ist es ein bisschen schwierig. Also es gibt auch Möglichkeiten vom Bund, worauf man sich bewerben kann, wie „Cooler Schulhof“ oder so, das ist aber natürlich begrenzt. Man muss auch die Stadt mit an der Seite haben. Die Fördergelder, das ist der Punkt, der für mich ein bisschen zu viel Bürokratiearbeit war. Da habe ich versucht am Anfang zu helfen, welche Möglichkeiten kann man heranziehen. Aber da bin ich froh, wenn die Lehrer sich selber ein bisschen drum kümmern. Gerade jetzt, zum Beispiel, hatten wir einen Sponsor für die Wurmkisten …
SM: Was sind Wurmkisten?
LB: Die Wurmkisten sind Kisten mit Kompostwürmern, die man im Haus halten kann. Also eigentlich als Möglichkeit, im Haus einen kleinen Kompost zu haben. In einer Holzkiste, schön anzusehen, man kann sich auch draufsetzen. Die Kompostwürmer sind da sicher geschützt und haben ihr eigenes Biotop im Inneren. Und man muss das natürlich gut versorgen, das wissen die Kinder auch. Dass das ganze System funktioniert. Aber das haben wir genau gemacht. Das hat die Lehrerin selbst beantragt und das hat Gelsenwasser gesponsert. Aber die Möglichlkeiten, das ist sehr schwierig für mich, im Blick zu haben. Ich weiß, dass größere Vereine das besser können. Deswegen hatte ich schon mal überlegt, mich an die Waldschule Cappenberg anzugliedern. Aber dann wäre ich auch nur ein Projekt gewesen, das vielleicht irgendwann mal Geld kriegt.
SM: Gibt es sonst Stellen oder Initiativen in Selm, wo du Unterstützung kriegst oder wo du dir vielleicht mehr Vernetzung oder Unterstützung wünschst?
LB: Also allein schon über die Bibliothek und die Saatgut-Bib kamen einige Schulen auf mich zu und haben auch angefragt. Bei den Schulen, die LG in der Overbergschule zum Beispiel, die wird über den Förderverein gesponsert. Das ist auch eine Möglichkeit natürlich, die jede Schule hat. Ansonsten ist es gerade in Selm mit den Töpfen sehr schwierig. Wir haben mit dem Sunshine jetzt die Sommerferienkurse, aber eigentlich war es ein Schnupperkurs, der nicht fortgesetzt wurde, weil die Stadt Selm zu wenig Gelder hatte. Dann gibt es auch einige Vereine, die in Selm tätig sind.
(…)
Aber für gegenseitige Werbung gewinnt man andere eher, also, dass man sagt, ich stelle dich auf unsere Seite und was du machst, gebe ich weiter. Aber genau, die Gelder fehlen leider immer als erstes.
SM: Du bist wahrscheinlich auch lieber am Werkeln und am Garten interessiert als an den zusätzlichen Aufgaben, oder?
LB: Ja, genau. Mir ist die Bildung schon total wichtig und ich hätte gerne die Gruppen hier, aber wenn ich selber gucken muss, woher kriege ich die Fördergelder …
Ich mache hier schon relativ viel Netzwerkarbeit. Also ich bin schon dabei, dass ich gerne auch berate, wen könnt ihr dann noch fragen und wer hat denn vielleicht noch Möglichkeiten. Man kriegt viel Zuspruch, genauso wie ich gerne mal eine Schokolade als Bezahlung kriege. Aber ich muss dann schon gucken, dass ich das hier alles finanziere.
SM: Wenn jetzt jemand sagt, ah, so ein tolles Paradies gibt es in Selm, das kannte ich noch gar nicht und ist neugierig, das mal zu sehen, was kann er/sie tun?
LB: Dann darf er sich gerne melden! Also ich habe auch schon im Lehrerkollegium gesagt, kommt gerne her und einen Tag der offenen Tür. Oder ich mache einfach mit denen ein kleines Projekt. Genauso wie ich es für die Ludgierischule und die Overbergschule auch angeboten habe, wenn sie im Unterricht den Lernstoff dann im Praktischen umsetzen wollen. Dann macht man mal eine Stunde praxisnah.
So wie es auch in der Bibliothek mit der Saatgut-Bib demnächst funktionieren könnte.
SM: Genau, das fiel auch gerade als Stichwort. Was steckt dahinter? Saatgut-Bibliothek?
LB: Ja, die Saatgutbibliothek, die Leiterin, Frau Breiderhoff hatte da ein ähnliches Interesse wie ich und hat mich von sich aus angesprochen. Da hat das Netzwerk schon funktioniert. Die Saatgut-Bib soll im Endeffekt dazu dienen, um altes Saatgut, was regional hier gut funktioniert, unter die Menschen zu bringen. Mit dem Sinn und Zweck, wie es früher war, Saatgut ist Kulturgut, es soll sich wieder verbreiten und wieder selbst angebaut werden. Also dass man wegkommt von Hybrid- und F1-Pflanzen, die selber gar nicht für Saatgut sorgen. Wir wollen die Pflanzen verbreiten mit dem Saatgut, das wir von dem Verein der Nutzpflanzen-Vielfalt gestellt kriegen oder selbst gezogen haben.
SM: Und ich könnte dann so zur Bibliothek hingehen und Saatgut „ausleihen“?
LB: Ja, also ich leih mir ein Paket aus, pflanze mir das Saatgut an und einen Teil davon, einen kleinen Teil, gebe ich im Herbst zurück.
SM: Das heißt, im Herbst sammle ich und spende das, was ich mir ausgeliehen habe zurück?
LB: Genau, gerne auch vorher schon, weil das wird mehr sein, als man als Saatgut braucht. Es soll auch genug zur Ernte dabei rauskommen. Wir haben die gängigen fünf Pflanzen, die man so kennt, Tomate, Bohnen, Erbse, der Salat und was dazu kommt, ist die Melde. Die ist etwas in Vergessenheit geraten, ist aber sehr leicht anzubauen.
SM: Die Melde?
LB: Die Melde ist so ein bisschen wie Spinat, der relativ gut zu pflanzen ist. Gut auch als Saatgut zu ernten ist auch, wenn man nur eine im Garten hat. Es ist eine wunderbare Pflanze, da kann man sicher sein, das Saatgut wieder zu ernten. Da haben wir diesen Einführungskurs so gemacht, dass man weiß, was heißt das denn eigentlich, wenn ich etwas bis zu Saat begleiten möchte. Dass das auch funktioniert, dass ein Ertrag als Saatgut zurückkommt. Dann geht das hoffentlich weiter, dass ein Kreislauf entsteht.
SM: Und das Projekt gibt es jetzt schon?
LB: Das Projekt ist jetzt gestartet, genau und jetzt geht es in die warme Phase. Jetzt beginnt das Anpflanzen.
SM: Das heißt, da muss man zur Stadtbibliothek gehen und sagen …
LB: Da geht man zur Stadtbibliothek, muss auch nicht Mitglied werden, kann auch einfach so erstmal sagen, ich interessiere mich nur für Saatgut. Und da haben wir das auch passend ausgestattet. Wir habe da ein paar Bücher, die das Anbauen erklären. Ich habe dazu den ersten Infoabend mit begleitet, das war sehr theoretisch, aber im Praktischen machen wir das hier im Garten auch nochmal. Dazu kann man sich anmelden.
SM: Ist deine Hauptmotivation eher eine Verbundenheit mit der Natur? Oder eine Faszination von der Natur oder siehst du das auch als ein Teil so aktiven Klimaschutz, den jeder selber betreiben kann?
LB: Ich glaube, ich bin eher der Pädagoge. Die Kinder noch sehr lernbereit und wissbegierig. Ich erhoffe mir einfach, dass Sachen, die schon vergessen wurden, wieder zurückkommen. Einfach, dass ich ein Teil der Natur bin und nicht, dass man dagegen arbeitet, wie man das manchmal sieht, in Vorgärten und Nachbarschaften. Natürlich ist immer ein Teil für den Klimaschutz, aber in erster Linie ist es mir wichtig, sich bewusst zu werden, dass man selber ein Teil der Natur ist.
Es ist ja nichts Neues, was ich hier mache. Es sind alte Kulturtechniken, genauso wie mit dem Saatgut. Das war früher schon immer so, dann hat sich das alles bürokratisiert und wurde erschwert für den normalen Menschen, sich sein Saatgut zu verbreiten und weiterzugeben.
Ich suche den Weg, wie ich mein Wissen nicht nur für mich alleine haben, sondern es weiterzugeben und für andere nutzbar zu machen.
SM: Hast du eine Idee, wie du dich weiterentwickeln möchtest? Was die nächsten Schritte für dich sind?
LB: Ich hoffe, dass es kontinuierlich über das ganze Jahr hin Sachen gibt, die ich anbieten kann. Und dass sich da mehr für interessieren. Ich habe zumindest die Hoffnung, dass die Schulen sich da mehr öffnen.
Ich finde, gerade der Punkt Permakultur-Design könnte für mich noch stärker vertreten sein, weil meine Fläche schon ziemlich gut gestaltet ist, finde ich zumindest. Aber ich finde gerade, wenn ich mich auf Schulhöfen umgucke oder im allgemeinen städtischen Raum, dann ist da noch Potenzial. Das versuche ich gerade, dass ich das mehr an den Mann und an die Frau bringe. Ich habe jetzt auch gerade mit der Frau Purfürst überlegt, wie man denn auf dem Campus, der zubetoniert ist, mit seinen kleinen Bäumchen da, wie man das da kühlt.
SM: Gemeint ist Britta Purfürst, die ist Klimaschutzbeauftragte der Stadt …
LB: Genau, sie hat im Endeffekt ja einen Posten, der von außen vergeben ist, nicht viel Gelder und nicht viele Möglichkeiten. Aber sie ist ganz aktiv und motiviert und hat jetzt meine Idee erst mal aufkommen und weitergetragen.
Und dann ist es immer das Schöne, wenn ich es schaffe, das über die Schulen zu tragen. Also das ist mir ein wichtiger Punkt. Denn Selm, das war für mich vorher schon klar, ist nicht der lebenswerteste Punkt, den man sich wählen kann.
SM: Was fehlt Dir hier?
LB: Eigentlich fast alles! Also, die sozialen Aspekte finde ich relativ wenig. Ich freue mich morgen auf den Spieleabend oder freue mich auf den Klimatreff, dass sich da die Interessierten zusammenfinden. Und wenn ich dann sehe, dass man einige Sachen schafft, die man im Sozialen hinbekommt, wie jetzt in den Sommerferien, so einen tollen Kurs und die Kinder sind mega interessiert, aber dann findet kein Folgekurs statt und man wird immer wieder ausgebremst. Und das finde ich ist in Selm mega anstrengend.
SM: Dadurch, dass ein Engagement von Leuten verpufft?
LB: Engagement vor allem, genau. Es fehlt das Geld, aber man hat auch nicht die Leute dahinter, die man bräuchte, um das weiterzutragen. Das ist sehr anstrengend. Und ich weiß auch, für viele, die sich engagieren, sehr aufreibend.
Natürlich fehlt auch das Angebot an Läden. Ich hatte die Idee, ach, ich mache das so wie eine Bekannte in Frankreich. Die hat an drei Tage den Permakulturhof, den sie betreibt, für Klassen und für andere Gruppen geöffnet. Und dann betreibt sie zwei Tage noch in der Woche einen Bioladen. Aber nein, man muss in Selm auch realistisch bleiben. Man kriegt nicht alles auf einmal hin, aber vielleicht nach und nach.
Und ich hoffe dann, ein bisschen mehr zu Netzwerken und andere zu locken. Und zu sagen, es ist Selm auch wert, sich zu engagieren.
SM: Wenn also jemand Lust hätte, hier einen Bioladen aufzumachen (zeigt auf einen Anbau im Garten) …
LB: … unterstütze ich das gerne. Das hatte ich auch schon überlegt. Also so saisonale Sachen, das will ich auch. Ich möchte auch gerne hier diesen Raum anbieten, als Kursprojekt, alles, was hier reinpasst, das kannst du gerne hier machen, miete den Raum und biete das hier an.
Der Anbau wird irgendwann ein großer Kursraum und ich weiß, dass es sich alleine wahrscheinlich nicht tragen wird. Deswegen werden wir das auch ein bisschen als Ferienhaus nutzen.
Aber die Idee ist schon, das als Raum zur Verfügung zu stellen für Leute, die sagen, ich habe Ideen, hier was anzubieten. Dann soll es gerne der Yogakurs sein oder ein Kochkurs oder auch irgendwie ein Treffen, das zum Ort hier passt.
SM: Es startet gerade ein Hubschrauber …
LB: Ja, wir sind halt mitten in Selm. Man hat hier Einflüsse von außen, so einige. Und dann muss man immer ein bisschen gucken, wie man damit umgeht. Auch dass man sich mit der Nachbarschaft gut stellt und sich gut abspricht. Deswegen hatten wir letzten Sommer mal alle Türen geöffnet. Damit man nicht nur sagt, okay, was blökt denn dahinten am Zaun? Das kann ja auch nervig sein. Aber wir wollten auch zeigen, was hier hinter dem Gartenzaun passiert, …
(Ein Hahn kräht)
… oder der Hahn, der dann halt morgens mal sagt, hey, jetzt ist es aber schon früher Aufstehzeit!
SM: Um 4.30 Uhr im Sommer?
LB: Ja, genau. Hat er schon gemacht. Aber ich muss sagen, ich höre ihn nicht so viel und wir machen dann einfach die Klappe runter, dann bleibt er noch eine Stunde ruhig.
SM: Du hast vorhin schon gesagt, du hast Ideen für den Campus. Gibt es sonst Sachen, wo du sagen würdest, da könnte Selm mal anfangen, etwas zu verändern?
LB: Ich habe gehört, dass Selm auch mal die Idee hatte, selber essbare Stadt zu werden. Das ist, finde ich, eine gute Idee. Also man kann es in kleinen Raum machen. Das Sunshine hat vor dem Haus die Hochbeete stehen. Dann sind sie sich aber nicht einig, wer es jetzt bewirtschaften und bepflanzen darf. Aber es ist halt die Idee, dass immer irgendwas wächst, was ich ernten kann. Und das finde ich ein Punkt, den man noch mal aufgreifen kann.
Vor allem aber, wo man merkt, der Campus ist ein Ort, der so nicht nutzbar ist. Man hält sich nicht gerne an einen Ort auf, der im Sommer an die 60 Grad geht. Man kann es so machen, dass es mehr nutzbar ist, das ganze Jahr.
Und da fände ich es halt ganz schön, wenn man es schafft, dass man Bürger mehr mit einbezieht. Dann wird es auch eher angenommen.
Dieses von außen Aufgesetzte, wie der Campus auch gestaltet ist, die ganzen Anlagen dort. Wir merken es dann, es wird oft randaliert. Aber an der Ludgerischschule, wir haben da die Hochbeete hingesetzt und alle sagten, das geht nicht, das steht ja viel zu frei. Aber: da passiert relativ wenig! Aber eigentlich, je mehr man mit einbezieht, umso mehr funktioniert. Und das hätte ich für Selm auch gerne mehr.
Also mehr Bürgerbeteiligung und mehr Projekte, wo man gemeinsam mal guckt, wo ist ein Ort, der mich stört? Das sind ja auch die Leute, die irgendwo wohnen und sagen, der Spielplatz wird überhaupt nicht mehr genutzt. Dann ist es an der Zeit, zu überlegen, es wohnen hier gar keine Kinder mehr. Es wohnen hier nur alte Leute. Vielleicht brauchen die was anderes und nicht mehr den Spielplatz. Oder wie kriegen wir manche soziale Bereiche hin? Wenn man merkt, dort haben die Menschen nichts miteinander zu tun, wie hier mit dem Heim und die Bevölkerung, die hier lebt. Wie können wir das mehr zusammenbringen? Das sind einfach so Punkte, wo ich finde, dass die Menschen miteinander mehr in Kommunikation kommen sollen. Das finde ich, ist das größte Manko, dass man nicht miteinander kommuniziert und sich nicht einfach gegenseitig mal sagt, was sind eigentlich meine eigenen Bedürfnisse oder wieso lebt man so?
Ich sehe das auch hier. Seitdem wir den Garten öffnen für andere, dann sagten manche, ihr lebt ja wie im Schloss. Das ist dann manchmal ganz schön hart, auch für meine Kinder, die das gar nicht so wahrnehmen. Sie sehen einfach mehr die viele Arbeit, die sie dadurch haben, die vielen Tiere, die dann bedeuten, ich muss abends raus und die Tiere füttern und den Stall sauber machen.
Aber es ist halt so, wenn man sich öffnet und andere erleben das und dürfen es auch mit nutzen, dann ist das was ganz anderes, als wenn man sagt, man steht nur außen vor dem Gartenzaun.
Also Kommunikation zu verbessern, fände ich in Selm schon einen großen Ansatz. Das kostet nicht viel Geld und dann kann Projekte so macht, dass man sagt, man gestaltet selber mit. Ich kann mir schon vorstellen, dass man es so machen kann, dass man die Menschen dazu bewegen kann, sich selbst zu engagieren.
SM: Wir hoffen, dass wir dazu beitragen können.
LB: Sehr gerne, sehr gerne.
SM: Dann bleibt uns noch, uns ganz herzlich zu bedanken, für den Einblick in Deinen Garten und in Deine Ideenwelt!
LB: Ja, wir haben ein bisschen angestoßen. Auch vielen Dank.
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