
Der heiße Scheiß? – Klima am Donnerstag
Dürresommer bedrohen die Wasserversorgung und vernichten Ernten, Hitzewellen fordern Tote, die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 zerstörte das Hab und Gut tausender Menschen – Extremwetterereignisse und ihre Folgen treten durch die globale Erhitzung künftig häufiger und heftiger auf. Sie sind eine Gefahr für die Sicherheit, Existenz und Gesundheit vieler Menschen und verursachen Schäden in Milliardenhöhe.
Es wird Zeit, etwas zu unternehmen.
Wie dringend politische Maßnahmen sind, zeigt die Auswertung einer umfassenden aktuellen Umfrage:
- 96 Prozent der 329 Landkreise und kreisfreien Städte, die eine umfassende Umfrage von CORRECTIV, BR Data, NDR Data und WDR Quarks beantwortet haben, sehen sich in Zukunft häufiger mit extremen Wetterereignissen konfrontiert.
- 86 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte erwarten bis 2050 finanzielle Schäden durch Klimawandel-Folgen.
- Aber nur 25 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte hat bisher ein Klimaanpassungskonzept.
- Nochmals “Aber”: In Nordrhein-Westfalen hingegen hat bereits über die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte, die antworteten, ein Konzept.
Und in der Tat:
Selm hat bereits 2019 ein “Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzept
beschlossen (hier der Text) und mit der Umsetzung begonnen.
Dieser Beitrag entsteht in Anwendung des passenden Recherche-Rezepts von Correctiv.Lokal
Das Netzwerk CORRECTIV.Lokal recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise.
Weitere Infos unter correctiv.org/klima
Ausführlich: ogy.de/k9i2
Herzlichen Dank!
Im Kreis Unna, so die Antwort der Kreisverwaltung, wird derzeit ein Konzept für die Klimaanpassungsmaßnahmen erarbeitet. Verwiesen wird auf die bereits beschlossenen Konzepte in der Stadt Selm und der Gemeinde Bönen.
Die weiteren Fragen machen deutlich:
Der Kreis Unna beachtet sehr deutlich den Unterschied zwischen “Klimaschutz” und “Klimafolgenanpassung”. Klimaschutzkonzepte gibt es im Kreis durchaus mehr:
- Der Kreis selber hat 2022 ein Klimaschutzkonzept beschlossen “Integriertes Klimaschutzkonzept des Kreises Unna” mit immerhin 200 Seiten
- Unna: https://www.unna.de/fileadmin/stadt/dokumente/internet/Standort_Unna/Nachhaltige_Stadt/Integriertes_Klimaschutzkonzept_0522.pdf
- Selm: https://www.selm.de/files/Selm/media/Umwelt-Klimaschutz/Klimaschutzmanagement/Endbericht%20Klimaschutz-%20und%20Klimaanpassungskonzept%20Stadt%20Selm.pdf
- Werne: https://www.werne.de/de/Klimaschutzkonzept_Stadt-Werne.pdf
- Lünen: https://www.luenen.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Dateien_Downloads/2._Leben_in_Luenen/Bauen_Wohnen_Mobilitaet/Stadtplanung/Umwelt/Klima/Klimaschutzkonzept_der_Stadt_Luenen.pdf
- Bergkamen: https://www.bergkamen.de/files/bk/pdf/umwelt/klimaschutzkonzept/2019_ikk_bergkamen.pdf
- Kamen: http://www.o-sp.de/kamen/plan?pid=27295
- Bönen: https://www.boenen.de/fileadmin/media/dokumente/FB_III/IKKK_Boenen.pdf
- Holzwickede: https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/4943d2f03b08e8679e7d7f4c58b267ce144080/klimaschutzkonzept_holzwickede.pdf
- Fröndenberg: https://www.froendenberg.de/fileadmin/user_upload/Umwelt/Klimaschutzkonzept.pdf
- Schwerte: https://www.schwerte.de/fileadmin/RUBRIK/VERWALTUNG/61/61_Publikationen/Berichte/Klimaschutzkonzept.pdf
Aus den Kommunen des Kreises sind der Verwaltung vereinzelte und wenige Details bekannt:
- Es gibt bereits Maßnahmen zur Begrünung von Dächern und Fassaden und zur Entsiegelung von Flächen, um die Kommunen an die Hitze-Herausforderungen anzupassen.
- Es gibt bereits Maßnahmen zur Förderung langsamer Abflusssysteme, um Dürre-Herausforderungen anzugehen.
- Es gibt keine bekannten konkreten Maßnahmen in Bezug auf Trinkwasser- oder Wassermangel
- Es gibt Maßnahmen zum Umbau von Mischkanalisationen, die aber noch nicht ausgewertet wurden, um auf Starkregen-Herausforderungen zu reagieren.
- Es gibt keine bekannten Maßnahmen in Bezug auf Hochwasser-Herausforderungen.
Auf Kreisebene gibt es keinen Etat zur Finanzierung von Maßnahmen in diesen Bereichen, das finanzieren derzeit die Kommunen jeweils selbst.
Ein eigenes Monitoring von Klimafolgenanpassungsmaßnahmen gibt es nicht – allerdings ist eine Person in Vollzeit auf Kreisebene mit der Planung und Koordination von Maßnahmen befasst.
Der Kreis ist derzeit damit befasst, ein eigenes Konzept zur Klimafolgenanpassung zu erarbeiten.
„Die Klimaanpassung der Städte ist im Gange, geht aber nur langsam voran. Da Städte und Gebäude oft für Jahrzehnte oder gar für Jahrhunderte geplant werden, ist es naturgemäß schwierig, in existierenden Städten schnell Änderungen herbeizuführen. Bei der Planung von Neubauten, Neubaugebieten – vor allem auf Industriebrachen im Innenbereich von Städten – und neuen Städten besteht dagegen Gestaltungsspielraum. Hier können Maßnahmen in wenigen Jahren realisiert werden.“ „Die Bauvorschriften und Bauordnungen sind häufig sehr konservativ und ändern sich nur langsam. Bestimmte Maßnahmen – beispielsweise helle Dachziegel – werden dadurch verhindert, obwohl sie sehr sinnvoll wären. Hier ist auch die Politik und die Verwaltung gefordert, den nötigen Gestaltungsspielraum zu schaffen. Auch technische Normen und Richtlinien müssen im Sinne eines Hitzeschutzes überprüft und gegebenenfalls so rasch wie möglich geändert werden.“ „Der Wert von mehr Grün und mehr Wasser im Stadtbereich ist eindeutig erkannt, die Umsetzung kostet im Bestand aber Zeit. Die Wirkung von Frischluftschneisen ist bekannt, wird aber immer noch zu oft Einzelinteressen bei der Bauplanung untergeordnet.“ „Wo möglich ist die Dämmung von existierenden Gebäuden voranzutreiben. Dachbegrünungen, Dachgärten und Solaranlagen sind unter der Berücksichtigung der Statik der existierenden Gebäude zu planen und voranzutreiben.“Prof. Dr. Dea Niebuhr empfiehlt kommunale "Hitzeschutzplanungen": [Prof. Dr. Dea Niebuhr, Professorin für Health Technology Assessment und Gesundheitssystemdesign, Hochschule Fulda – University of Applied Sciences]
„Das Startsignal in Deutschland waren die ‚Handlungsempfehlungen für die Erstellung von regionalen Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit‘ im Jahr 2017 in einer vom Bundesumweltministerium geleiteten Bund-Länder-Ad-hoc-Arbeitsgruppe [1]. Ein bundesweiter Hitzeaktionsplan war nie vorgesehen. Die Entwicklung von Maßnahmen gegenüber den Belastungen durch Hitzeereignisse liegt in Deutschland in der Zuständigkeit der Länder, Kommunen, Gemeinden beziehungsweise Träger von Einrichtungen und der Selbstverwaltung. Weitere Aufgaben des Bundes wurden nicht festgelegt.“ „Hitzeaktionspläne können aber nicht allein die Aufgabe von Städten, Kommunen und Gemeinden sein. Die Bundesländer haben einen klaren gesundheitspolitischen und gesetzlichen Auftrag, insbesondere für Regelungen in der stationären Krankenhausversorgung und des öffentlichen Gesundheitsschutzes. Wird Hitzeschutz als ein Teil der Prävention im öffentlichen Gesundheitsschutz begriffen, dann ist für jedes Bundesland ein landesweiter Hitzeaktionsplan erforderlich. Inzwischen haben einige Bundesländer einen landesweiten Hitzeaktionsplan verabschiedet, allerdings haben diese einen empfehlenden Charakter, also keinen rechtsverbindlichen Status.“
Das Bundeskabinett hat heute das vom Bundesumweltministerium vorgelegte Klimaanpassungsgesetz beschlossen – es geht nach der Sommerpause ins Parlament und tritt in 2024 in Kraft:
Angesichts der Gefahren für Leben und Gesundheit, Gesellschaft, Wirtschaft, Infrastruktur sowie Natur und Ökosysteme sind verstärkte Anstrengungen erforderlich, um Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft gegenüber den graduellen Veränderungen des Klimas sowie der Zunahme von Intensität und Häufigkeit der Extremwetterereignisse in Deutschland zu stärken. Der Klimawandel hat Auswirkungen in ganz Deutschland und betrifft eine große Anzahl von Lebensbereichen. Vor diesem Hintergrund müssen neben verstärkten Anstrengungen zum Schutz des Klimas die Anstrengungen zur vorsorgenden, risikobasierten Anpassung in Deutschland verstärkt werden. Es muss sichergestellt werden, dass die Auswirkungen des Klimawandels in allen Bereichen und allen Regionen ausreichend berücksichtigt und soziale Ungleichheiten durch den Klimawandel nicht vertieft werden.
Besonders schutzbedürftig sind dabei vulnerable Personengruppen, wie Frauen, Kinder, ältere und erkrankte Menschen sowie Menschen mit Behinderungen, die besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Dieser Gesetzentwurf soll daher einen verbindlichen Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie des Bundes und die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und anderen Verwaltungsträgern in allen erforderlichen Handlungsfeldern schaffen. Mit diesem Rahmen können die Einzelmaßnahmen innerhalb der verschiedenen Handlungsfelder koordinierter vorangetrieben werden. Durch die zu setzenden Ziele wird die Klimaanpassung beschleunigt, besser steuerbar, transparenter und gerechter.
Um die Klimaanpassung auf eine verbindliche Grundlage zu stellen, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Bundesregierung eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen vorlegt und umsetzt. Die Strategie basiert auf einer Klimarisikoanalyse der Bundesregierung.
Die Klimaanpassungsstrategie wird bis zum 30. September 2025 vorge-
legt und alle vier Jahre unter Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst.Die Strategie enthält unter anderem messbare Ziele und Indikatoren für die Zielerreichung. Die Ziele sind durch geeignete Maßnahmen auf Bundesebene zu unterlegen.
Es werden ebenfalls Empfehlungen für Maßnahmen der Länder aufgenommen. Ein Monitoring über die beobachteten Folgen des Klimawandels wird verbindlich eingeführt. Ergibt sich auf der Grundlage des Monitorings eine Zielverfehlung, soll eine Anpassung im Rahmen der Fortschreibung der Klimaanpassungsstrategie erfolgen.
Entwurf des Gesetzes vor der Beschlussfassung im Bundeskabinett
Geborener Sauerländer, kerngebildet als Theologe, beruflich nun medienarbeitend, erfahren als Bildungswerker und Ressourcenbeschaffer, suchend und fragend, unterwegs seit 1967, zwischen Christentum und Sozialismus nach Gerechtigkeit suchend
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