Die Evolution des Schülertickets?

Die Evolution des Schülertickets?

Info-Schreiben an den Landtag

  • Seit einigen Wochen schon in der Debatte: Was passiert mit den Schülertickets, wenn das Deutschlandticket im Juni eingeführt wird?
  • Die in NRW zuständigen Minister (ganze drei Ministerien sind beteiligt), haben "bereits" Anfang Juni in einem gemeinsamen Runderlass die Rahmenbedingungen festgelegt.
  • Die Mitglieder des Landtags wurden kurz danach schriftlich informiert

  • Kurz davor: Parteitagsmeldung und dann Pressemeldung

    Am 03. Juni, zwei Tage vor der Info an die Mitglieder des Landtags, präsentierte der federführende Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, Oliver Krischer (GRÜNE), auf seinem Landesparteitag das Modell des Tickets.
    Der WDR hat dann entsprechend am 04. Juni, einen Tag vor der Info an die Landtagsmitglieder, berichtet:

    Evolutionäre Hürden:
    Freie, aber politisch eventuell unter Umständen umstrittene Entscheidung der Kommunen über die Ausgestaltung der Schülerfahrtkosten

    Schüler:innen in  NRW haben einen Anspruch darauf, ab bestimmten Entfernungen zwischen Wohnung und Schule die Schülerfahrtkosten erstattet zu bekommen.

    Wir haben uns bei der Stadt Selm erkundigt, welche Beträge hierfür in den vergangenen Jahren seit 2018 über den städtischen Haushalt ausgegeben wurden.

    • Mit einer deutlichen Minderausgabe in den Corona-Jahren liegt diese Summe für das Jahr 2023 erneut bei voraussichtlich 320.000 Euro – inklusive aller anfallenden Sonderfahrten und der Transportfahrten bei Schulsport oder anderen Schulveranstaltungen.
    • Die Anzahl der Schüler:innen mit Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten liegt mit dem Stand von Ende Mai 2023 für das Schuljahr 2022/23 bei 419 – ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Schuljahr 2018/219 mit damals noch 503 berechtigten Schüler:innen – das dürfte deutlich machen, dass die der Stadt in Rechnung gestellten Kosten in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind…
    • Allerdings: Die Einführung des “Schülerticket Westfalen” zum zweiten Schulhalbjahr 2021/2022 ist hierbei nach Auskunft der Stadt nicht der Kostentreiber: “Das Schülterticket Westfalen hat mit Einführung zum 01.02.22  keine finanziell nennenswerten Zusatzbelastungen für den städtischen Haushalt zur Folge gehabt. Selbst unter Einrechnung der bisherigen allg. Preissteigerungsraten und entsprechender Tarifanpassungen konnte der betreffende Planansatz im Haushaltsjahr 2022 eingehalten werden.”

    Kurz zur Erinnerung:

    • Das “Schülerticket Westfalen” wird seit 2022 endlich mit einer Verzögerung von mehreren Jahrzehnten auch für Selm angeboten.
    • Der erste Anlauf für ein verbessertes Ticketangebot war im Juli 2003 durch einen Ratsbeschluss gemacht worden – revidiert aufgrund eines Bürgerbegehrens im November des gleichen Jahres
    • Nächster Versuch: 2008. Die SPD startet mit einem Antrag auf Einführung, wandelt diesen nach ersten Debatten in einen “Prüfauftrag”, um den “Bedarf” festzustellen, daran scheitert die Einführung des “Flash Tickets”- trotz des inzwischen fast kreisdeckenden Angebots in den Kommunen. Ein Faktor: Die ziemlich elende Anbindung der Stadt an die Nachbarkommunen und der Zwang, sich zwischen einer Nordausrichtung “Münsterland” oder einer Südausrichtung “Dortmund” entschieden zu müssen.
    • Zum 01.01.2021 wird von der VKU für den Kreis Unna das “Schülerticket Westfalen” eingeführt – die Umstellung in 8 von 10 Kommunen und für die Schulen des Kreises erfolgt geräuschlos, weil diese inzwischen alle das “Flash Ticket” anbieten und nur Werne und Selm noch außen vor sind.
      Knackpunkt in Selm diesmal: Für die Schüler:innen der weiterführenden Schulen wird jetzt ein Eigenanteil von 12 Euro je Monat erhoben. Erneut heftige Debatte um den “Bedarf” (und um die Bereitschaft der Politik, einen Anteil der Schüler:innen-Fahrtkosten von den Familien einfordern zu müssen, um das Ticket für alle Schüler:innen zugänglich zu machen). Erfreulich ist, dass nach massiver Information und Diskussion unter Verzicht auf eine Elternbefragung die Einführung für Selm zum 01.02.2022 beschlossen wird (ohne die Stimmen der FDP). Ein Übernahme der Elternbeteiligung, die andiskutiert wurde, war der Stadt nicht möglich – noch lief die Haushaltsicherung.

    Jetzt neu: Deutschlandticket für Schüler

    Mit dem Beginn des neuen Schuljahres besteht also nun die Möglichkeit, für alle Schüler:innen das Deutschlandticket als Schülerticket für 29 Euro zugänglich zu machen – damit sänke der Preis für ein entsprechendes Monatsabo für Schüler:innen ohne Anspruch auf Fahrtkostenerstattung um 4 Euro auf 29,00 Euro bei massiv ausgebauter Nutzungsmöglichkeit. Für die Schüler:innen mit Fahrtkostenerstattungsanspruch bliebe es bei dem vereinbarten Eigenanteil.

    Nun die eventuelle Evolutionsschwelle:

    Die Kommunen, also auch die Stadt Selm, müsste beschließen, dass ein neuer Vertrag mit der VKU geschlossen wird, der garantiert, dass der Preis von 49,00 Euro je Deutschlandticket für die anspruchsberechtigten Schüler:innen in jedem Fall von den Kommunen, also auch von Selm, gezahlt wird. Das sind je Schüler:in je Jahr 588 Euro.

    • Wenn eine Kommune bereits so viel Geld je Schüler:in als Fahrtkostenerstattung aufbringen  uss: sehr schön, keine Kostensteigerung, sofortiger Wechsel möglich (wenn die Verträge entsprechend fix beschlossen werden)
    • Wenn eine Kommune bisher nicht so viel Geld je Schüler:in aufbringen muss, dann muss sie ab Vertragsbeginn diese 588 Euro zahlen.
    • Das bedeutet für Selm:

    Die Stadt Selm zahlt, so hat unsere Nachfrage ergeben, bislang für die aktuell anspruchsberechtigten Schüler:innen je Jahr “auf der Basis einer Mischkalkulation mit vier entfernungsbedingten Tickt-Preisstufen zwischen 45,80 Euro und 75,80 Euro, die auch die Gesamtzahl der Schüler:innen berücksichtigt.
    Die Stadt berechnet (allerdings wegen der Berücksichtigung der Ferienzeiten in der Kalkulation) auf der Basis von 11 gezahlten Monaten einen mittleren Jahreswert von rund 561 Euro je Schüler:in.

    Das läge dann unterhalb der erforderlichen Sprunghöhe von 588 Euro und müsste durch einen entsprechenden Beschluss des Rates aufgestockt werden – je Schüler:in um die fehlenden rund 17 Euro. Für 2023 wären das 419 Fälle – und somit rund 7.123 Euro.

    An den Gesamtkosten, auch für die nicht-erstattungsberechtigten Schüler:innen beteiligt sich übrigens – mit überraschend klarer Zusage – das Land. Zusätzlich zur Co-Finanzierung des Grundangebots “Deutschlandticket”.

    Na toll: Mitten in den Sommerferien

    Was also wird geschehen?

    Einige Kommunen und Verkehrsträger haben das Thema bereist positiv geregelt – sie haben es geschafft, das Thema noch rechtzeitig im Juni in die Gremien zu bekommen und entsprechende Beschlüsse zu fassen.

    Für den Kreis Unna wurde im Juni aus dem Kreistag und der Verwaltung heraus ein “abgestimmtes Vorgehen” angekündigt, damit kein Flickenteppich entstehe (also keine Rückkehr in die Verhältnisse vor 2022 …). Das dürfte dann frühestens zum Oktober 2023 oder zum Halbjahreswechsel im Februar 2024 der Fall sein.

    Die nächste reguläre Sitzungsfolge in Selm startet am 17. August 2023 mit dem Haupt-, Finanz und Digitalisierungsausschuss, der Stadtrat tagt ein guten Monat später am 20. September 2023 – erste Chance, hier zu einer zügigen Entscheidung zu kommen. Alle betroffenen Ausschüsse haben bis dahin Gelegenheit, die Thematik zu beraten, auch mit Blick auf die anlaufenden Haushaltsberatungen für 2023.


    Das Selmagazin dankt der Stadtverwaltung für die zügige Beantwortung unserer Fragen – wir bleiben dran und fragen nach.


     

    Geborener Sauerländer, kerngebildet als Theologe, beruflich nun medienarbeitend, erfahren als Bildungswerker und Ressourcenbeschaffer, suchend und fragend, unterwegs seit 1967, zwischen Christentum und Sozialismus nach Gerechtigkeit suchend

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