Selmer Alltagsspuren: Schützen!

Selmer Alltagsspuren: Schützen!

Pfingstsonntag 2022: Trommeln um 09.00 Uhr

Im Ablaufplan des Festes mit diversen Fragezeichen angekündigt, dringen so gegen 09.00 Uhr Trommelschläge an mein faul im Bette liegendes Ohr. Etwas später wird auch gepfiffen und geschellenbaumt.

Trotz des vorangegangenen, gewiss nicht kurzen Abends, beginnt der Tag der Tage mit dem musikalischen Weckdienst. 

Vom Selbstschutz zur Kulturgröße

Entstanden als Selbstschutz der Dorfgemeinschaften, fest verankert in der religiös geprägten Gesellschaft, gehen die Anfänge der Schützenbruderschaften ins 12. Jahrhundert zurück.

Bis ins 16. Jahrhundert waren die Bruderschaften ordnend, organisierend und auch real schützend tätig – ab dem 17. Jahrhundert ging letzteres von den selbstschützenden Bürgern (keine Bürgerinnen) an bezahlte Soldaten und Wachtruppen über.
Um die wehrhafte Tradition nicht ganz zu verlieren, wurden fast parallel die ersten Schützenfeste und Wettbewerbe der Schützen veranstaltet.

Daran knüpfen im 19. Jahrhundert die Schützenvereine an, die jetzt neu gegründet werden, um die Gemeinschaft unter den neuen gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen in den Orten zu stärken, in kirchlicher Anbindung auch das soziale Engagement zu stärken. Zu Beginn des Jahrhunderts waren die Schützenvereine durchaus revolutionäre Einrichtungen: Sie wollten in ihrer Mehrzahl die zersplitterte Fürstenherrschaft durch ein einiges und demokratisches Deutschland ablösen.

Mit der Nationenbildung “von oben” unter der Führung Preussens nach der Revolution von 1848 wurden die Schützenvereine eher unpolitisch, aber gesellschaftstragend. Die konkurrierenden “Kriegervereine” der Veteranen konnten sich besser mit dem betonten militärischen Nationalismus des Kaiserreiches anfreunden.

Im 20. Jahrhundert prallten die Schützenvereine mit ihren ererbten und gepflegten paternalistisch-demokratischen Strukturen recht heftig auf die in den NS-Staat führende Kultur der Führer-Ideologien. Ab 1933 übernahmen dennoch viele Schützenvereine die herrschende Staatsdoktrin und passten sich an. In den ländlichen Regionen konnte das allerdings durchaus eine reine Formsache bleiben.

Nach der Kapitulation der Wehrmacht wurden die Schützenvereine und Bruderschaften verboten, erst mit der Gründung der BRD 1949 wieder erlaubt. In der DDR wurden sie nicht wieder zugelassen – allerdings gab es Sportschützen, aus denen sich nach 1990 erneut Schützenvereine entwickeln oder wiedergründen konnten.

Seit 2016 zählt das gesamte Schützenwesen als Immaterielles Kulturerbe der UNESCO

 

 

Schützenverein Ondrup-Westerfelde von 1888 mit seiner WebSite, auf Facebook und Instagram

Der Schützenverein Cappenberg nennt als seinen ersten Schützenkönig den Freiherrn vom und zum Stein für das Jahr 1830 mit seiner Website und auf Facebook

https://www.schuetzengilde-bork.de/thumbnailer.php?src=/images/startseite/fahne_startseite.jpg&w=300Die Bürgerschützengilde St. Stephanus Bork von 1825 mit ihrer Website und auf Facebook

Bürgerschützengilde Selm - Beifang - Bürgerschützengilde Selm-BeifangBürgerschützengilde Selm-Beifang von 1735 mit ihrer Website, auf Facebook und Instagram

https://schuetzenbruderschaft-fabian-sebastian.de/wp-content/uploads/2016/04/Vereinslogo2-2.pngDie Schützenbruderschaft St. Fabian und Sebastian von 1653 mit ihrer Website und auf Facebook

Der Männerring Netteberge von 1957 mit seiner Website und auf Facebook.

Der Sauerländer, der ich bin, ...

… erinnert sich natürlich mit einem gewissen Stolz daran, dass der eigene (!) Vater (!) der Hallenwart der heimatlichen Schützenhalle war – in passender Größe dort stets das Zentrum des dörflichen Geschehens, im Idealfall nicht zu weit von den Sportanlagen entfernt.

… erinnert sich an die ersten Schreckreaktionen bis auf die Bundesebene des “Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften”, als die katholischen (!) Bruderschaften (!) damit konfrontiert wurden, dass die ersten schwulen Männer den Vogel abschossen und irgendwie nicht wirklich auf den Mann an ihrer Seite als Mitregent verzichten wollten – inzwischen hat der Bundesverband seit 2017 die Statuten so geregelt, dass der Verband in Bezug auf sexuelle und religiöse Orientierung in der Moderne angekommen ist.

… erinnert sich an die Diskussionen in der Wahlheimat Selm, ob denn nun auch Frauen vollwertige und königsschussberechtigte Mitglieder sein können und dürfen und was das bedeutet – so beschlossen zum Beispiel im dritten Anlauf 2019 in Cappenberg, ein Jahr zuvor im zweiten Anlauf in Netteberge, in Beifang gelten satzungsgemäß gleiche Rechte für jede Person mindestens seit 2005, in Bork ebenfalls mindestens seit 2004, Selm-Dorf bleibt ebenso wie Ondrup-Westerfelde eine reine Männer-Bruderschaft.

 

Geborener Sauerländer, kerngebildet als Theologe, beruflich nun medienarbeitend, erfahren als Bildungswerker und Ressourcenbeschaffer, suchend und fragend, unterwegs seit 1967, zwischen Christentum und Sozialismus nach Gerechtigkeit suchend

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