Selmer Geschichten: Handel im Wandel – Interview mit Augenoptiker Thomas Kaim

Selmer Geschichten: Handel im Wandel – Interview mit Augenoptiker Thomas Kaim

Die aktuelle Zeit ist für den Einzelhandel schwierig, nicht nur in Selm. Durch die Geschäftsschließungen während der Corona-Epidemie durchleben viele Händlerinnen und Händler eine Achterbahnfahrt zwischen Öffnungsperspektiven und wieder steigenden Infektionszahlen.

Die Werbegemeinschaft Selm vertritt den Einzelhandel in der Stadt Selm. Augenoptiker Thomas Kaim ist Inhaber von Selmer Optik und Sprecher der Werbegemeinschaft für den Standort Selm-Zentrum, also rund um die Kreisstraße. Dieser hat sich aus seiner Sicht fantastisch entwickelt.

Interview mit Augenoptikermeister Thomas Kaim (Selmer Optik)

Herr Kaim, wie sind Sie zum Augenoptiker geworden?

Das war ganz einfach. Ich bin mit 16 bei einem Augenoptiker in die Lehre gegangen. Irgendwann hat mein Vater zu mir gesagt, wir gehen mal zum Optiker in Lünen in der Fußgängerzone. Den kennst Du ja, ich habe damals nämlich schon eine Brille getragen. Mein Vater war Schlosser, er wollte aber nicht, dass ich ebenso jeden Tag in der Schmiere stehe, wie er. Dann sind wir da rein und haben gefragt, zwei Tage später bekam ich die Zusage. Wenn man heute einen 16-Jährigen fragt, was er werden will, sagt er wohl, er hat keine Ahnung. Mir ging es damals ähnlich, aber so haben wir das dann einfach gemacht.

Und das ist heute noch ihr Traumjob?

Ja, doch damals hatte ich eigentlich einen anderen Traumjob. Ich wäre gern Musikalienhändler geworden. Doch dazu hätte ich Noten lernen müssen, das kann ich bis heute nicht, obwohl ich in einer Band spiele. Aber ja, ich bin mit Leib und Seele Augenoptiker.

Wie sind Sie dann in Selm gelandet mit Ihrem Geschäft Selmer Optik?

Ich habe in einem kleinen Geschäft gelernt und bin später auf die Meisterschule gegangen. Es gab dort keine Perspektive mehr für mich, also bin ich zu einem großen Filialisten gewechselt, zu Fielmann. Da war ich erst Niederlassungsleiter mit Standort in Greifswald, später Regionalleiter. Plötzlich war ich zuständig für 40 Geschäfte. Das habe ich einige Jahre betrieben, da habe ich viele Neueröffnungen betreut, in Stralsund, Rostock, Wismar, da bin ich ein Mal pro Woche hin und habe die Leute unterstützt.
Dann kam aber die Familienplanung dazwischen, und mein Rücken, der über das viele Autofahren nicht so glücklich war. Und ich wollte als Optiker wieder mehr Kontakt haben mit meinen Kunden. Ich hatte den dringenden Wunsch, meinen Beruf wieder individueller ausüben zu können, nicht nur „Guten Tag, ja Brille: schauen Sie mal da“ und fertig. Nein, ich wollte auch die Zeit haben, eine Kaffee anzubieten. Wenn man 20 Jahre im Job quasi unter Strom steht, ist es irgendwann genug.
Bei der Innung habe ich schließlich nach einem Geschäft angefragt. So habe ich die Nachfolge des Ladens in Selm angeboten bekommen. Das war damals noch in der Ludgeristraße. Nach zehn Jahren sind wir das erste Mal umgezogen, noch innerhalb der Ludgeristraße, und nach weiteren 10 Jahren zur Kreisstraße.

Wie sehen Sie die Entwicklung hier am Standort Selm-Zentrum in den letzten Jahren?

Positiv! Es gibt hier keine schlecht geführten Geschäfte. Es gibt ein paar Kuriositäten, aber das ist auch liebenswert. Und wenn man mal schaut, was hier geplant ist, wird es sich sogar noch verbessern. Der Neubau von Aldi oder vom REWE mit einer richtigen Markthalle, für frischen Fisch beispielsweise, das ist ein Qualität, die nicht jede Stadt aufweisen kann.

Dann hat die Stadt hier in der Kreisstraße fünf Häuser gekauft, die neu gebaut werden sollen, auch mit Geschäftslokalen. Ich freue mich sehr über das, was da kommt!

Die Vielfalt vor allem. (…) Man kann hier alles kaufen, man kann hier essen und man kann verweilen. In „normalen“ Zeiten gibt es hier kulturelle Veranstaltungen.

Was macht für Sie eine Einkaufszone besonders attraktiv, nehmen wir mal das Zentrum von Selm?

Die Vielfalt vor allem. Und das hat die Kreisstraße im Grunde ja auch. Man kann hier alles kaufen, man kann hier essen und man kann verweilen. In „normalen“ Zeiten gibt es hier kulturelle Veranstaltungen im Bürgerhaus, keine Riesenveranstaltungen, aber wir sind ja auch keine Riesenstadt! Wenn man das alles zusammen sieht, auch mit dem Auenpark und dem Skaterpark für die Jugendlichen und die Kids, das ist fantastisch! Das hat man im Sommer gesehen, es kommen Besucher aus dem ganzen Ruhrgebiet! Es ist wirklich die Gesamtkonstellation, die mir hier so gefällt.
Und man muss sehen, dass wir auch sehr schwierige Zeiten hatten. Vor nicht allzu langer Zeit war die Kreisstraße hier zwei Jahre lang gesperrt. Die Kanalisation wurde neu gemacht, es war alles eine einzige Baustelle. Wer zu den Geschäften wollte musste teilweise durch den Matsch stiefeln, so etwas ist für den Einzelhandel katastrophal. Das haben auch nicht alle Händler überlebt.

Wir leben jetzt bereits ein Jahr lang unter den Bedingungen der Corona-Epidemie. Sie hatten eine bessere Situation als andere im Einzelhandel, da Augenoptikgeschäfte wegen der gesundheitlichen Relevanz geöffnet blieben.
Was war die größte Herausforderung für Sie und den Handel in der Zeit?

Die Kommunikation und die Vernetzung untereinander. Wir haben auch viele Einzelkämpfer dabei. Ich habe ja den Hut der Werbegemeinschaft aufgesetzt bekommen als Ansprechpartner für Selm-Zentrum. Aber es ist schwierig, mal alle zusammenzubekommen. So ein Verein, der lebt ja davon, dass alle ihre Ideen einbringen und man dann gemeinsam etwas unternimmt. Viele sind aber mit sich selbst beschäftigt.
Wir haben hier zum Beispiel die Aktion mit den Herzen (Herzförmige Aufkleber mit Aufschrift, beispielsweise: „Danke, dass Ihr nicht online sondern vor Ort einkauft“). Die haben wir für alle drucken lassen, unsere Idee war, in allen Schaufenstern soll “danke schön” gesagt werden.

Wurde das von den Kundinnen und Kunden positiv angenommen?

Von Kunden schon, die nehmen das wahr, auch wenn die Selmer sich nicht immer so euphorisch dazu äußern. Von den Händlern wurde es leider weniger angenommen. Wir haben noch einige Herzen hier auf Lager, die nicht abgeholt wurden …

Gab es andere Aktionen, die erfolgreicher waren?

Ja, das schon. Es gab im vergangenen Jahr eine Aktion von der Stadt und der Werbegemeinschaft. Es gab eine Gutschein-Aktion für den lokalen Handel, die hat die Stadt Selm großzügig gesponsert. Alle Geschäfte, in denen die Gutscheine eingelöst werden konnten, waren und sind an Aufklebern und den grünen Beachfahnen zu erkennen. Die Fahnen haben wir beigesteuert (mit der Aufschrift: „Selm, meine Stadt, hier kaufe ich gerne ein“), die werden nach wie vor aufgestellt und sind gut sichtbar. Die Aktion wurde gut angenommen, die Gutscheine waren in kürzester Zeit vergriffen.
Wie die Situation im Einzelnen ist, kann ich aber schlecht beurteilen. Ich weiß nicht, wie viele Cocktails die An-Bar hier ausschenkt. Dann bin ich aber im Kontakt mit Frau Sandmann von Spielen & Träumen in der Ludgeristraße. Die macht sehr viel Werbung über Facebook beispielsweise, auch mit Aktionen. Das wird offenbar sehr gut angenommen.

Thomas Kaim
Alles gesagt? Augenoptikermeister Thomas Kaim in seinem Geschäft "Selmer Optik" an der Kreiststraße, Foto: Thomas Kaim

Geben Sie sich in der Werbegemeinschaft gegenseitig Hilfestellung, wenn es um Online-Handel geht?

Dafür haben wir leider keine Spezialisten. Es gab vor ein paar Jahren mal ein Pilotprojekt in Wuppertal. Da konnte der Einzelhandel auf einer gemeinsamen Plattform alles anbieten. Die Ware sollte direkt nach der Bestellung mit Fahrradkurieren ausgeliefert werden. Das ist aber auch wieder eingeschlafen. Über ähnliche Projekte haben wir mal mit der Wirtschaftsförderung des Kreises Unna gesprochen, damals bestand aber seitens des Handels wenig Interesse. Heute sähe das vielleicht anders aus.

Für die Augenoptik ist es auch schwierig, mit dem Onlinehandel, stelle ich mir vor …

Ja, wir haben da eine etwas andere Lösung, das nennt sich „Brillen-Butler“, da können Sie sich online eine Brille aussuchen, da gibt es unzählige Marken, und die wird bei einem Geschäft in ihrer Nähe angefertigt. Also eine Mischform aus Online- und stationärem Handel. Aber da ist jede Branche natürlich unterschiedlich …

Wichtig ist aber, dass jetzt die Kunden mitbekommen,
dass der Handel weiter für sie da ist.

Das ist glaube ich ein Modell mit Zukunft, da kann ich abends gemütlich daheim shoppen und es am nächsten Tag im Geschäft abholen …
Glauben Sie, dass sich das Kaufverhalten durch Corona langfristig ändert? Werden Kundinnen und Kunden dauerhaft zum Onlinehandel abwandern?

Ich glaube schon, dass sich das bemerkbar machen wird. Wichtig ist aber, dass jetzt die Kunden mitbekommen, dass der Handel weiter für sie da ist. Deshalb versuchen wir auch das zu präsentieren, zum Beispiel mit den Herzen, und sagen „danke schön, dass Sie bei uns kaufen“. Weil, wenn ein Geschäft jetzt aufgibt, das bleibt dann weg.

Wenn nun der Bürgermeister in Ihren Laden käme, hätten Sie einen Wunsch an ihn?

Ach, die Stadt Selm ist uns doch sehr positiv gesonnen! Da gab es gemeinsam Projekte, die Gutscheinaktion beispielsweise. Das soll jetzt wiederholt werden, da sind wir mit Herrn Orlowski in regem Austausch.

Mir ist klar, dass die Stadt viel tut. Ich gehöre nicht unbedingt zu denen, die sagen, die Stadt muss erst dies oder jenes und erst dann tu ich etwas. Es wird ja gern geschimpft, ein Beispiel: das Schneeräumen. Es gab sicher genügend Bürgersteige, die nicht sofort geräumt waren, dort sind aber auch die Bürger nicht sofort ihrer Pflicht nachgekommen.
Wenn ich erst vor meiner eigenen Haustür schaue, dann bin ich in der Position und kann kritisieren. Aber nicht nur beliebig irgendwas fordern, das finde ich ganz unangenehm. Dabei werden leider häufig die vielen positiven Dinge übersehen.
Jetzt haben wir zum Beispiel den Auenpark und einige haben gefordert, da muss der Weihnachtsmarkt hin. Das geht aus verschiedensten Gründen nicht! Wir von der Werbegemeinschaft haben uns sofort dafür eingesetzt, dass der in der Altstadt bleibt. Den Markt gibt es, weil Kaufleute aus der Altstadt das organisiert haben.
Irgendwann wurde es zu groß, die Stromversorgung, die Organisation, Versicherungen, da hat der damalige Bürgermeister Marion Löhr das für die Stadt übernommen.
Nein, ich finde es wichtig, dass man vor allem selbst etwas in die Hand nimmt.


Da kann ich nur zustimmen. Ganz herzlichen Dank für diesen interessanten Einblick in die Arbeit der Werbegemeinschaft Selm und den Standort im Selmer Zentrum. Ich wünsche, dass Sie und der Einzelhandel weiterhin wahrgenommen werden und diese Zeit so gut es geht überstehen.

Persönliches:

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Geburtsort:

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Ich wohne in Selm seit:

Das mag ich an Selm besonders:


Das fehlt mir in
Selm:

Mein Lieblingsort in Selm:

Dafür bin ich dankbar:

Das kann ich besonders gut:

Hobby:

Lieblingsbuch:

Lieblingsfilm/Serie:

Lieblingsessen:

Lieblingsreiseland:

Thomas Kaim

55 Jahre

Lünen

Augenoptikermeister

2003

Die tolle Lage zwischen Ruhrgebiet und Münsterland

positive Stimmung

Beifang

Die vielen Freunde die ich hier gefunden habe

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Oliver Hübner - Autor, Blogger und Webgestalter aus Selm und Schwerin, geb. 1968 in Unna

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